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Strafanzeigen gegen Patienten nur in besonderen Fällen strafbedroht

August 6, 2003


Hauptverhandlung nach Strafbefehl bringt neue Erkenntnisse zu speziell gelagertem Einzelfall

In einem Strafverfahren wurde gegen einen Zahnarzt Strafbefehl wegen Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) erlassen. Anlass war, dass der Zahnarzt nicht zahlende Patienten wegen Betrugs angezeigt hatte. Nach Einspruch gegen den Strafbefehl und nachfolgender Hauptverhandlung wurde nun deutlich, dass es sich um einen speziell gelagerten Fall handelt.

Im Zentrum des Strafbefehlsverfahr ens stand, dass nur der Klageweg unmittelbar dem berechtigten Interesse diene, das ausstehende Honorar zu erhalten. Dieses Interesse wird strafrechtlich als ausreichende Rechtfertigung für die Geheimnisoffenbarun g betrachtet. Die Strafanzeige diene jedoch lediglich der Strafverfolgung, so dass es an einer Rechtfertigung für die Geheimnisoffenbarun g fehle.

Diese Erwägungen wurden zwischenzeitlich nach Einspruch gegen den Strafbefehl präziser formuliert. Das Gericht sah das ausschlaggebende Kriterium für die Verurteilung darin, dass die Strafanzeigen wegen Betrugs auch Angaben zur Therapie enthielten. Hinzu kam für das Gericht, dass die aufgrund zivilrechtlichen Titels betriebene Zwangsvollstreckung bereits mehrfach erfolglos versucht worden war, so dass nach Überzeugung des Gerichts die Strafanzeige darauf abzielte, trotz erfolgloser Vollstreckungsversu che gerade durch den Druck des Strafverfahrens doch noch die geschuldete Zahlung zu erhalten.

Besonderheiten des vorliegenden Falls
Der Fall weist also zwei Besonderheiten auf. Zum einen wurden bei der Strafanzeige gegen die Patienten ohne Notwendigkeit Angaben zur Therapie gemacht, wenn auch in recht allgemeiner Form. Zum anderen erfolgte die Strafanzeige erst, nachdem Vollstreckungsversu che gescheitert waren. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt. Nachdem die Patienten jedoch zwischenzeitlich ihre Strafanträge zurückgenommen haben, wird das Verfahren in der Berufungsinstanz eingestellt werden müssen, da aufgrund der Rücknahme der Strafanträge ein Verfahrenshindernis besteht. Mit der Einstellung endet das Strafverfahren, das ergangene Urteil wird nicht rechtskräftig.

Grenzen der Offenbarung beachten
Der Fall zeigt, dass eine Strafanzeige eines Zahnarztes gegen einen nicht zahlenden Patienten aus Sicht des Gerichts nicht schlechthin zu einer strafrechtlichen Verfolgung des zur Verschwiegenheit verpflichteten Zahnarztes führt. Es ist für eine mögliche strafrechtliche Verfolgung des Verhaltens des Patienten allerdings entbehrlich, zahnmedizinische Angaben zu Untersuchung oder Behandlung des Betreffenden zu machen. Daher fehlte es für das Gericht an einer Rechtfertigung für die Offenbarung gerade solcher Tatsachen im Rahmen einer Strafanzeige. Hinzu kam im konkreten Fall noch als weitere Besonderheit, dass die Strafanzeige erst erfolgte, nachdem Vollstreckungsversu che erfolglos geblieben waren.

Der Fall bietet also nun entgegen des ursprünglichen ersten Eindrucks keinen Anhaltspunkt mehr dafür, dass das Gericht generell bei einer Strafanzeige eines Zahnarztes gegen einen nicht zahlenden Patienten eigene Strafbarkeit des Zahnarztes nach § 203 StGB wegen Verletzung von Privatgeheimnissen annehmen will. Allerdings muss beachtet werden, wo bei Strafanzeigen die Grenzen der zulässigen Offenbarung von Geheimnissen liegen.

Quelle: Bayerische Landeszahnärztekamme r, Michael Pangratz/Justitiar der BLZK, 06.03.2009