Verrohte Sitten

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Der selbsternannte Jetset kennt keinen Knigge. So sind die Frauen der Neureichen oder reich-scheinen-wollenden Männer oft ohne einen Rappen unterwegs. Hut ab, wenn es einer schafft, fünfzehn Jahre nach seinem Rückzug aus dem Berufsleben immer noch so berühmt zu sein, dass ihm in einem Bildband ein ganzes Kapitel gewidmet wird! John Schnell (Bild), dem einstigen Prominenten-Zahnarzt, ist das gelungen.

In dem Buch von Peter Kunze (Interviews) und Marcus Richmann (Fotos) über «Lebenskonzepte made in Switzerland» strahlt John Schnell in voller Grösse in seinem Wohnzimmer in Kilchberg und verrät sein Lebenskonzept. Erzählt von seinem unverwüstlichen Optimismus, seiner Freude an schönen Frauen, seinem Drang nach oben. So verrät er sein Geheimnis, warum er auf Jetset-Partys und auf Yachten immer eingeladen wird: «Weil ich nie über jemanden schlecht spreche».

Acht Jahrzehnte Leben haben den einst schönsten Mann von Zürich als Frauenverführer geerdet, seit Jahren ist der ewige Junggeselle mit dem blonden Spatz Christine Vögeli (Bild) liiert. John Schnell, wie man ihn kennt! Einzig, dass er im Nobelinternat Le Rosay gewesen sei, ist neu; alle dachten, er sei in Höngg aufgewachsen.

Im Buch kommt auch der ehemalige Kurdirektor von St. Moritz Hanspeter Danuser (Bild), der jetzt Statthalter der Deutschen Bank im Engadin ist, zu Ehren. Buch-Vernissage ist am Freitag im Café Felix.

Geldlos zu Shopping-Events

Die Witwe des Operettenkomponisten Ralph Benatzky (Weisses Rössl) wusste noch genau, wie man sich benimmt. Kirschi Benatzky wäre heute circa hundert Jahre alt, sie war eine Dame von traumhaftem Reichtum und mit Stil. Logierte in Zürich das halbe Jahr im Mythenschloss, die andere Hälfte im Grandhotel Dolder (wie das Dolder Grand damals hiess).

Das weltmännische Knowhow hat sie von ihrem viel älteren Mann gelernt, den sie kennenlernte, als sie junge Ballettratte, er schon reicher und berühmter Melodienschreiber war. Er hat ihr nicht nur, wie sie gern nostalgisch erzählte, «jedes Jahr einen neuen Pelz an den Christbaum gehängt» (das waren Zeiten, als einem Animal Trust noch nicht auf die Finger schaute), sondern brachte ihr auch bei, «dass eine Dame immer etwas Geld bei sich haben soll.» Es könnte ja sein, dass sie ein Taxi bezahlen muss oder der Garderobière ein Trinkgeld geben möchte; der Mann, der den Geldbeutel bei sich hat, könnte ja im Lauf des Abends aus ihrer Reichweite entschwinden.

Die Sitten sind ja heute total verroht, und auch der selbsternannte Jetset kennt keinen Knigge. So sind die Frauen der neureichen oder reich-scheinen-wollenden Männer oft ohne einen Rappen unterwegs. Manche kommen sogar geldlos an die so beliebten Shopping-Events in Privathäusern. Da kommt es manchmal schnell zum Zwist zwischen den einst besten Freundinnen.

Eine dieser Frauen, immer an vorderster Front, wenn die Schönen und Reichen im Schnee von St. Moritz von «Glanz & Gloria“ gefilmt werden, kreuzte kürzlich bei so einem Ladies-Lunch auf, begeisterte sich für ein Armband, konnte aber nicht zahlen, weil sie kein Geld bei sich hatte. Die Schmuck-Händlerin, vertrauend auf die Bonität der Freundin: «Macht nix, gib mir das Geld, wenn wir uns das nächste Mal sehen!» Das nächste Mal – So ein Pech! – hatte die Schuldnerin schon wieder keinen Rappen bei sich. Also Einzahlungsschein! Die 160 Franken wurden natürlich nicht bezahlt. Jetzt schickte die gutgläubige Händlerin der säumigen Zahlerin eine Mahnung. Der Zickenkrieg kann beginnen.

Wolf Haas liest

Dichterlesung des österreichischen Krimiautors Wolf Haas (Bild, «Der Brenner und der liebe Gott») im Miller’s Studio. Der Theatersaal voll besetzt. Die meisten Leute um die dreissig. Standen nach der Lesung Schlange um ein Autogramm. Wolf Haas schenkte jedem seine Aufmerksamkeit, hatte Charme und Witz, und entschwand dann auf eine Geburtstagsparty.

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