wo Zahnarzt Wurschi den Tango tanzt

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Auf der ganzen Welt wird Tango getanzt – und seit einigen Jahren auch in Suhl. Hier trifft sich regelmäßig ein Grüppchen begeisterter Tangofreunde. Alle zwei Wochen, am Freitagabend, gehen Anja Beier aus Benshausen und ihr Ehemann Bernd Tango tanzen. Auch für Rainer Bauerschmidt aus Zella-Mehlis und dessen Ehefrau Christine ist der Tango zu einem leidenschaftlichen Hobby geworden. Der Suhler Zahnarzt Wolfgang Wurschi liebt ebenfalls den Tango. In den letzten Jahren war die Zeit dafür etwas knapp bemessen, doch nun, da er aus Altersgründen seine Praxis in jüngere Hände gibt, wird er wieder öfter sich und seine Frau im Tango-Rhythmus wiegen.

 

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Es war die Faszination für diesen argentinischen Tanz, die einige Südthüringer, nicht nur Suhler, hier zusammenführte. Nachdem sie sich lange durch verschiedene Räume tanzten und zunächst keine feste Bleibe fanden, ist nun auch dieses Problem geklärt. Im Sportcenter von Suhl-Nord trifft man sich regelmäßig alle zwei Wochen, „dort nutzen wir sogar den Raum mit den Spiegeln“, erzählt Rainer Bauerschmidt, der die organisatorischen Fäden in der Hand hält. Als Verein wollte man sich nicht zusammenfinden, sagt er, sondern eine lose, unverbindliche Form des Miteinander pflegen. Aber einer muss sich ja dennoch ein bisschen verantwortlich fühlen, sieht er die Sache und sein Engagement.

Seit einigen Jahren gibt es einen festen Kern, der sich regelmäßig trifft und sich ernsthaft mit dem Tango beschäftigt – natürlich unter fachlicher Anleitung. Die findet man bei Carlos Tapia aus Weimar. Manchmal sind zehn Paare da, manchmal auch nur zwei oder drei. Dieser Carlos ist ein fabelhafter Tangolehrer, ein waschechter Argentinier obendrein. Und als solcher saugt man die Leidenschaft dafür quasi mit der Muttermilch ein. Argentinien gilt schließlich als das Mutterland dieses Tanzes. Als Carlos Tapia Anfang der neunziger Jahre nach Deutschland kam, zuerst nach Erfurt, war hier an Tango kaum zu denken, geschweige denn daran, dass sich auch in Thüringen eine Szene wie in den großen Städten Berlin oder Hamburg entwickeln würde. Dort schossen schon vor Jahren argentinische Tango-Schulen wie Pilze aus dem Boden und boomen heute noch.

Auch Carlos Tapia hat mittlerweile eine Schule, die Milonga-Tanzschule in Weimar. Gemeinsam mit seiner Partnerin Brigitte Backhaus gibt er überdies Kurse in den verschiedensten Orten des Freistaates, die sehr gefragt sind. Eben auch hier.

Im vorigen Jahr wurden sogar erstmals Thüringer Tango-Tage mit Workshops veranstaltet. „Eine gute Idee“, meint Anja Beier, die mit ihrem Mann und einigen anderen Südthüringern dorthin gefahren war. Übrigens entdeckte ihr Ehemann Bernd die Faszination des Tango vor Jahren ausgerechnet auf einer Dienstreise in den USA. Damals suchten die beiden nach einer Möglichkeit und fanden so zur Gruppe.

Miteinander in Harmonie

Die Beiers wie die Pfannschmidts nutzen selbst Urlaubsreisen ins Ausland, um Tangokurse zu belegen. In Italien beispielsweise. Schließlich ist der Tango ein Tanz, der auf der ganzen Welt getanzt wird, und nicht erst, seit die Unesco ihn 2009 in den Status des Weltkulturerbes erhob.

Tango lernen ist nicht schwer, behauptet Carlos. „Man muss nur Liebe zum Leben haben und die Musik auf sich wirken lassen, denn Tango ist ein Tanz für die Seele.“ Jeder könne das, entsprechend seines Körpers. Mit dem müsse man allerdings erst einmal klar kommen – Achtung auf die Haltung, das Finden der Achse, das Gehen, das Setzen der Füße, zählt der Fachmann auf, stehen am Anfang. Und schließlich: „Zwei Menschen sollten immer miteinander in Harmonie gehen.“ Ein wenig verschmitzt fügt er hinzu: „Das braucht eine bestimmte Übungszeit.“

Für den Argentinier war dieser Tanz schon immer mehr als nur ein Tanz: eine Haltung zum Leben. Und das sollte er auch für andere sein, die sich davon berühren lassen, denkt Carlos. „Hier trifft sich keine Elitegesellschaft, der Tango ist keine akademische Kultur, aber er macht die Menschen wieder zu Menschen. Weil in der heutigen Konsumgesellschaft immer mehr Werte kaputt gehen, ist er eine gute Gelegenheit, die Leute wieder in eine soziale Beziehung zu bringen.“

Diese gewiss einzigartige soziale Komponente, sie hängt mit der Geschichte des Tanzes zusammen. Geboren wurde er Ende des 19. Jahrhunderts in einem Armenviertel von Buenos Aires, dort, wo die europäischen Auswanderer strandeten. Die Sehnsucht nach Liebe, nach Heimat, die Traurigkeit, sie fand schließlich ein Ventil im Tango. Deshalb sollten seine Möglichkeiten sich nicht nur auf die Vervollkommnung der tänzerischen Figuren beschränken.

Das ist auch den Suhlern bewusst. Und daher beginnen sie das neue Jahr mit einer kleinen geselligen Runde, zu der Carlos und Brigitte eingeladen sind. Die einen haben gebacken, die nächsten Salate oder Bowle zubereitet. Und Rainer Bauerschmidt – der verbreitet Freude, als er jedem Paar an diesem Abend ein kleines, selbst zusammengestelltes Heftchen über den „Tango Argentino“ samt einer CD überreicht.

Das sieht selbst Carlos mit sichtlichem Wohlwollen – es zeigt, wie hier soziale Beziehungen gelebt werden.

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